eigentlich
ist es überhaupt nichts besonderes, nichts wesentliches, ein aquarienfisch mit so etwas wie einem geschwür, krebs vielleicht, am after; oder besser, dort, wo normalerweise der after sich befindet, ist nur noch eine blutige unregelmässige öffnung. es ist mein fisch; von den vielen fischen, die da sind, der, den ich mir ausgesucht habe.
wenn wieder bessere zeiten sind,
will ich ein aquarium in einem zimmer haben, ein bett und sonst eigentlich nichts weiter; ein fast leeres zimmer, ein bett für mich und ein glasbecken für den goldfisch - vor ein paar wochen hatte sich der fisch von schwarz - eine aussergewöhnliche und sehr schöne farbe - nach gewöhnlichem orange umgefärbt und sollte deshalb aussortiert werden. das tat mir leid, und so wurde er dann mein fisch, der mit mir auf bessere zeiten wartete
jetzt hat er so etwas wie krebs gekriegt.
fische haben keine schmerznerven sagt man, und das loch wird immer grösser. wahrscheinlich stimmt das mit den nerven, denn der fisch schwimmt munter und zufrieden im becken herum, frisst, kackt, alles wie immer. selbst, wenn einer der anderen fische im vorüberschwimmen das geschwür streift, passiert nichts
aber es könnte ansteckend sein,
und unästhetisch ist es sowieso. und es wächst weiter
kann ein verantwortungsbewusster fischbesitzer es zulassen, daß sein fisch so herumschwimmt - leidet das tier nicht vielleicht doch - und wenn wirklich nicht, - was wirft so ein mit einem so unästhetischen geschwür behaftetes tier für ein licht auf seinen besitzer - es muss etwas passieren...
der fisch hat angst vor dem kleinen fangnetz
und flüchtet in die hinterste ecke des aquariums. alle fische flüchten hektisch irgendwo hin, auch die anderen - die letzte lebensminute des goldfisches ist schon angebrochen, die letzten sekunden im wasser zappelt er im netz
ausserhalb des wassers zappelt er erst recht,
entkommt fast noch einmal aus dem netz. es hätte ihm auch nichts mehr geholfen auf den trockenen boden zu fallen. das zappeln wird dann auch schwächer, weil der fisch an der luft keine luft mehr bekommt, paradox eigentlich.
die kiemendeckel klappen auf und zu, sinnlose reflexe -
er springt noch einmal matt
auf dem tisch hin und her und ich suche ein werkzeug. womit mache ich es denn jetzt nur - ach ja, das messer ist wohl scharf genug.
es ist eklig, den fisch dabei anzufassen. ich halte ihn mit dem fangnetz auf dem tisch fest, und setze das messer hinter dem kopf an - dort ist das genick. zugucken kann ich aber auch nicht, schliesse die augen und steche zu. der fisch, das heisst seine haut ist ganz schön zäh.
er zuckt nur kurz zusammen
und liegt still, die sinnlosen reflexe haben auch aufgehört und ich laufe mit dem toten fisch noch fünf minuten kopflos herum, bis ich die leiche durch die toilette spüle mit etwas papier, damit sie auch gleich weg ist
ein umgedrehtes farbband
oder vielleicht der ausgeprägte schwachsinn, sich einzubilden, sprache und so auch buchstaben oder andere arten von zeichen könnnten etwas mit verständigung zu tun haben oder könnten so etwas wie einen sinn transportieren oder auch, dass es so etwas wie einen transportierbaren sinn gäbe oder ganz schlicht und einfach auf einen punkt gebracht überhaupt nichts so wie sinn oder so
so bleibt das übrig,
was am anfang auch schon gestanden hat: ein umgedrehtes farbband- mit vermutlich dem hintergrund: um mit etwas mehr farbe schreiben zu können - die verschiedenen zeichen waren gar zu blass - wurde zuerst das farbband umgedreht in der hoffnung auf der anderen seite befinde sich mehr farbe und es folgten obenstehende gedanken, die sogleich mit - die hoffnung auf mehr farbe hatte nicht getrogen - deutlich schwärzeren zeichen zu papier gebracht wurden
im folgenden stellte man fest, dass sich durch das geschriebene - nein schon durch die gedanken, die das schreiben anfangs zumindest hatten notwendig erscheinen lassen; ja, dass sich selbst das denken in frage zu stellen begann. die frage folgte dem tun und den zeichen und machte sie sogleich wieder überflüssig, nachdem sie mit so viel wichtigkeit und der einbildung von erkenntnis auf dem papier erschienen waren. selbst das mit viel fingerspitzengefühl und technischem einfühlungsvermögen bzw. improvisationsfähigkeit noch einmal zum farbe abgeben gebrachte farbband, welches schon kurz vor dem weg in den mülleimer sich befand - und dazu noch all die fähigkeiten (ausser vielleicht dem umstand, dass auch der zeitpunkt - es war wochenende, und ein neues farbband konnte nicht gekauft werden - mit zu der vorläufigen rettung vor der mülltonne beigetragen hatte) die es vor der gesellschaft von küchenabfällen, aschenbecherinhalt und anderem unrat bewahrt hatten, erschien sogleich wieder überflüssig
es scheint so, dass genau der moment oder gedanke oder impuls, welcher die wichtigkeit des inhaltes so hoch hob, dass unbedingt auf irgend einem papier die entsprechenden zeichen erscheinen mussten, wozu erst einmal dieses farbband umgedreht werden musste, gleichzeitig dem ganzen ebenso jeden sinn absprach und es somit wieder so überflüssig erscheinen liess, dass es genausogut hätte weder geschrieben noch umgedreht worden sein müssen
vermutlich hat die eigentliche bestrafung
des sisiphos nicht darin bestanden, ihn an der ihm bekannten sinnlosigkeit seines auftrages zugrunde gehen zu lassen; sicher wurde ihm nicht zu dem auftrag "diesen grossen felsblock auf jenen berg dort" gleich schadenfroh mitgeteilt, dass diese aufgabe nicht bewältigt werden kann - und auch gar nicht soll, denn dann wäre die strafe ja beendet - nein, so einfach wurde es ihm nicht gemacht, seine strafe sollte schwerer, und schwerer zu durchschauen sein.
hätte er bei der erteilung seiner aufgabe schon um die sinnlosigkeit der bemühung, sie zu bewältigen gewusst, so hätte er sich sicher anfangs dagegen aufgelehnt, es als unmenschlich empfunden, aber er hätte trotzdem begonnen, beginnen müssen, hätte den stein den berg hinaufgeschoben, gekämpft und geschwitzt; dabei wissend, was am ende auf dem gipfel geschehen würde, kann ihn das wiederhinabrollen des steines nicht erschrecken; er ginge hinter dem stein hinterher den berg wieder hinab, um seine arbeit weiterzuführen.
so würde sich mit der kräftigung seines körpers - die anstrengung hätte sicher einen gewissen trainingseffekt - eine besondere art von freiheit entwickeln; er könnte vielleicht beobachten, wie seine arbeit spuren am berghang hinterlässt, fussspuren und furchen, die der stein nach und nach gräbt, vielleicht würde er die vielen kleinen unterschiede jedes einzelnen hinabrollens seines felsens beobachten, oder er würde versuchen die veränderungen vorherzusagen, oder sogar versuchen, sie mit schnell beim aufstieg in die furchen getretenen steinen zu beeinflussen.
so hätte er die möglichkeit, mit seinem nicht zu beeinflussendem schicksal zu hadern, sich zu beklagen; oder aber mit der ihm bewussten sinnlosigkeit seinen frieden zu schliessen; so wäre die endlose aufgabe keine strafe, sondern die offene möglichkeit, ein friedliches, zufriedenes leben trotz einer sinnlosen nie zuendegehenden aufgabe zu führen.
doch genau das sollte ihm verwehrt sein.
ihm wurde nichts weiter gesagt, als:
"dieser große felsblock muss da oben auf den berg hinauf", und der grund für sein anfängliches erschrecken war die enorme grösse des felsens und die höhe des berges; er glaubte, an der anstrengung zugrunde gehen zu müssen; die vermeintliche aufgabe, deren erfüllung eine erlösung und ein ende der strafe bedeuten würden - so rechnete er es sich aus - sei nicht zu erfüllen; aber der wirkliche grund für die nicht erfüllbarkeit der gestellten aufgabe und das wahre gesicht seiner strafe blieb ihm verborgen.
so wird er schliesslich in die hände gespuckt und seine vermeintliche aufgabe in angriff genommen haben. vielleicht hat ihn die hoffnung und vielleicht die neugier so gekräftigt, dass er schon beim ersten versuch tatsächlich bis kurz unter den gipfel des berges gelangt ist, und sicher hat es ihn ungeheuerlich enttäuscht, dass der stein so kurz vor dem ziel wieder den berg hinabgerollt ist, doch den ersten fehlschlag konnte er noch entschuldigen; vielleicht war er ja gestrauchelt, das ziel so dicht vor augen ein wenig unachtsam oder ungeduldig geworden, beim nächsten versuch würde er dann vorsichtiger sein.
auch die folgenden fehlversuche waren irgendwie noch zu begründen, fehler, die er machen und aus denen er scheinbar lernen konnte, gab es bestimmt genug.
unmerklich geschah aber etwas mit ihm. da er nichts von der sinnlosigkeit seiner arbeit wusste, und er fest damit rechnete, den felsen einmal da oben zurückzulassen und den ort seiner strafe zu verlassen, musste er eine begründung für die vielen fehlversuche finden, musste sich überlegen, was er tun könne, damit der felsen endlich einmal dort oben liegen bliebe - er entwickelte theorien, überlegte mögliche lösungen; vielleicht hat er sich, bevor er dem fels hinabgefolgt ist, einen stein oder ein stück holz zurecht gelegt, um den felsen bei der nächsten ankunft oben sofort festkeilen zu können, oder er hat den boden dort oben geebnet, vielleicht eine vertiefung gegraben, in die er den fels hineinrollen lassen wollte; doch was er sich auch einfallen liess, der fels blieb nicht oben liegen.
trotzdem, nein eher gerade deshalb, stieg mit jedem fehlversuch die hoffnung auf das ende der aufgabe, die hoffnung auf die erfüllung, auf die erlösung von der qual. und auch die qual veränderte sich langsam, unmerklich.
war es zuerst die schwere der arbeit, die schmerzen in armen und beinen, das die qual ausmachte, so wurde es mit zunehmender anzahl der fehlgeschlagenen versuche die hoffnung, die ihm zur qual wurde, und die ihn gleichzeitig voran trieb, es wieder und wieder zu versuchen.
mit jedem fehlschlag stieg die hoffnung, der nächste versuch müsse jetzt die erlösung bringen; und die hoffnung, die anfangs die füsse beflügelt hatte, und den schmerz in den händen vergessen machte, klebte jetzt zentnerschwer an den fersen, machte jeden schritt zur unmenschlichen kraftanstrengung; und sie wuchs, wucherte ins unermessliche, wechselte die farbe von dem hellen frühlingshaft leuchtenden grün zu einem giftigen stumpfen graubraun vermischten.
was, wenn es wieder fehlschlägt, was gibt es noch, was anders gemacht werden kann, was wurde noch nicht ausprobiert, warum die fehlschläge.
seine zähne knirschten aufeinander, die muskeln verkrampften und der blick trübte sich und doch, einmal muss es anders sein, einmal muss die erlösung kommen; die hoffnung treibt ihn wieder und wieder den berg hinauf.
er hasst den fels und den berg, und vor allem hasst er die hoffnung, die ihn mal für mal wieder hinauf treibt; doch die erwartete erlösung lässt ihn den hass und alle zweifel vergessen und hindert ihn daran, das so naheliegende zu erkennen, oder, wenn er bereits ahnt, wie seine strafe tatsächlich beschaffen ist; und somit auch, wie die erhoffte erlösung wirklich zu erreichen sei, ist sie doch so stark und gross; wie der berg, der die aufnahme des felsens so hartnäckig verweigert, verweigert die hoffnung die anerkenntnis der sinnlosigkeit der aufgabe, und damit die erlösung von ihr selbst
es gäbe also
viele unterschiedliche möglichkeiten, einen gedanken zu formen, welche könnte die ihm angemessenste sein - die scheinbare endgültigkeit einer solchen offenbar notwendigen entscheidung stört mich, später scheint es mir oft, als wäre eine völlig andere auswahl die bessere gewesen.
und alles
muss verändert oder noch einmal wiederholt werden.
ein weg, dem zu entgehen, könnte der sein, alle denkbaren möglichkeiten, einem gedanken eine form zu geben, auszuführen, ein und denselben gedanken viele male zu formen, alle diese variationen gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, und es dem betrachter zu überlassen, sich die für ihn verständlichste herauszusuchen.
und wenn eine entscheidung
für die eine oder auch für mehrere der variationen mühsam gefällt wurde, taucht misstrauen auf:
was sehe ich vor mir, was habe ich damit gemeint, was könnte jemand anderes sehen, und was versteht der dann darunter:
es ist als sagte ich “tisch”, hängte ein tuch darüber, und schöbe das ganze meinem gegenüber hin. der wiederum lüftet das tuch, schaut darunter (leider so, dass ich nicht kontrollieren kann, was sich jetzt darunter befindet) und sagt etwas, meistens auch “tisch”, aber hat er wirklich den tisch gesehen, oder etwas ganz anderes, und wenn es tatsächlich ein tisch war, wie sah er von da drüben aus?
- hätte ich doch
die möglichkeit denselben blickwinkel einzunehmen und dasselbe zu sehen, was mein gegenüber gesehen hat -
dieser nun stattfindende prozess lässt sich nicht mehr kontrollieren. dieser prozess, der in gang gesetzt wird, wenn die äusserung einmal stattgefunden hat, ist einfach nicht vorauszuberechnen, dieses die ideen aus der hand geben müssen, wenn sie sichtbar geworden sind, sie dem betrachtet werden auszusetzen, sie in die selbstständigkeit zu entlassen, das verursacht magenschmerzen der schlimmeren art:
ich möchte wissen,
worauf verstehen zwischen menschen beruhen könnte, es ist unkontrollierbar und nicht nachvollziehbar, was ein anderer mensch wahrnimmt, wenn ich versuche, etwas mitzuteilen -
wie nehmen andere menschen wahr, und wie kann man sich dann darüber verständigen? die sprache ist so ungenau und unvollständig trotz aller ihrer festlegungen und definierten begriffe -
wie läuft eigentlich die verständigung über gestik und mimik - körpersprache ohne bewusste definitionen - ab?
wie könnten wir uns
über subjektive wahrnehmungen oder empfindungen verständigen, ohne den versuch, etwas zu definieren, was noch nicht einmal mehr als bruchstückhaft beschrieben werden kann?
vielleicht
ist jedes lebende wesen der mittelpunkt einer welt; vielleicht gibt es nicht nur eine, sondern viele welten - und - jede verbindung zwischen ihnen ist schein - illusion, nur teil der einzelnen welten.
vielleicht ist welt nur wahrnehmung, nichts weiter; alles, was ist, ist dadurch, dass es wahrgenommen wird; und das unendlich viele male oder mehr.
jeder ist gefangen in seiner wahrnehmung, und sie ist und bleibt aber auch das einzige orientierungsmittel, das zur verfügung steht.
sprache, und andere versuche der verständigung und mitteilung sind versuche, etwas zu schaffen, das das gefangensein in der eigenen wahrnehmung durchbrechen, und brücken zu den unterschiedlichen welten schlagen, sie verbinden und zu einer zusammenfassen soll, zum beispiel durch das herstellen von angeblich allgemeingültigem oder durch scheinbar erkannte gemeinsamkeiten.
diese versuche sind wohl zum scheitern verurteilt. um eine verständigungsmöglichkeit zu erschaffen, die mehr als nur illusion ist, müsste es möglich sein, in die wahrnehmung der anderen einzudringen, sozusagen mit ihren augen sehen, mit ihren ohren hören zu können, dem eigenen blickwinkel zu entrinnen, um die sicherheit zu erlangen, dass das, was von hier nach da transportiert werden sollte, sich nicht unterwegs irgendwie verändert hat, sondern bei der ankunft immer noch dasselbe ist, was auf den weg geschickt wurde.
um das “reale”
zu erklären oder um seine existenz zu beweisen, um es zu ordnen, vermeintliches licht in scheinbares dunkel zu bringen, wird versucht, dieses “reale” zu strukturieren und es in einem denkgebäude unterzubringen. (oder vielleicht ja auch, um die fehler dieser “realität” zu verbessern, oder, sie überhaupt erst zu benennen)
doch es scheint einfach unmöglich,
ein einziges in sich schlüssiges, als einheitliche konstruktion stehendes und funktionierendes gebäude über die “realität” hinüber, um sie herum oder in sie hinein zu bauen.
was an der einen ecke
standfest erscheint, stürzt gegenüber auf dieselbe art, aus denselben gründen, die hier die standfestigkeit begründen, dort ein. dieser "fehler" selbst, dass sich keine konstruktion finden lässt, die an allen stellen gleich fest ist, oder sich wenigstens im gleichgewicht aufrecht hält, ist es, was immer wieder die versuchung bringt, es doch zu versuchen, zu finden und zu bauen.
aber (...) schlüssigkeit und logik sind offenbar täuschungen; selbst diese schlussfolgerung ist als solche ein widerspruch in sich und insofern hinfällig. übrig bleibt scheinbar nur das einstellen des ganzheitlichen denkens mit dem ziel, eine ganzheitliche erklärung für das dasein, die welt und alles weitere zu konstruieren.
zu finden
sind vielleicht einzelphänomene, erfahrungswerte - alles unter dem vorbehalt des haltlosen, mit dem trotz allem immer bleibenden bestreben, die dinge doch noch zu ordnen, in übergreifenden zusammenhängen zu verstehen und - zu vereinfachen. so bleibt wohl nur noch übrig, ein vertrauen (oder einen irrglauben, eine dummheit oder idealismus) zu entwickeln, dass der tisch unter der decke noch da ist und dass meine kaffeetasse nicht doch eines tages samt tischtuch auf dem küchenfussboden landet.
in der küche sitzend
stelle ich fest: trotzdem ich die wand zu meiner rechten - die, in der sich die tür befindet, und die zur linken - die mit dem fenster - nicht gleichzeitig sehen kann - es ist mir noch nicht einmal möglich, alle teile der sich vor mir befindenden wand zur gleichen zeit in einem bild auf meiner netzhaut unterzubringen - könnte ich eine zeichnung derselben anfertigen, oder diese wand auf einem foto oder einer zeichnung erkennen.
der ausschnitt
dessen, was gleichzeitig gesehen werden kann, kommt mir winzig vor. ich mache experimente, versuche, den ausschnitt an der wand gegenüber nachzuvollziehen, indem ich mir zu merken versuche, wo sich die grenzen eines augenblickes befinden.
ich stelle fest, dass mein blickwinkel doch sehr beschränkt ist (daher kam mir die bezeichnung “normalobjektiv” für das 50mm objektiv meines fotoapparates wohl auch immer so merkwürdig vor; ebenso die begründung für diese bezeichnung, ein objektiv mit dieser brennweite bilde so ähnlich ab, wie ein menschliches auge).
das bild von meiner küchenwand, das ich mir einbilde zu haben, ist demnach eine vorstellung, die sich erst in irgendwelchen kubikmillimetern (oder -zentimetern) meines hirnes aus vielen einzelteilchen zusammengesetzt hat, kein richtiges bild.
ich kann mir etwas vorstellen, das ich so nicht sehen kann.
„es ist ein
mechanisierter menschlicher sehprozess, der hier stattfindet, die kamera als nachbildung des auges, mit der ein winziger zeitraum festgehalten werden kann
(eigenzitat...)“
das war also genaugenommen ein voreiliger schluss. wenn ich den menschlichen sehprozess nachvollziehen will, müsste ich mehr tun, als durch den sucher zu sehen und auf den auslöser zu drücken
stück für stück, augenblick für augenblick müsste ich meine küchenwand fotografieren, um mich dem ein wenig anzunähern, was tatsächlich geschieht, wenn ich sie betrachte;
und ich müsste dann die arbeit meines hirnes nachahmen, wenn ich aus den vielen einzelstücken das bild zusammenpuzzele.
und obwohl
ich mir alle mühe gebe, die augenblicke gleichmässig über das motiv zu verteilen, ergeben sich immer wieder an einigen stellen verdichtungen oder wiederholungen, an anderen stellen dagegen bleiben löcher im bild.
mein puzzle ähnelt kaum dem bild, das in meiner vorstellung von dem motiv entstanden ist; aneinandergefügt, in der reihenfolge des fotografierens, entsteht aus den “augenblicken” kein zusammenhängendes bild.
wie muss dann erst
das “rohbild” aussehen, das von den augen an das sehzentrum im hirn geschickt wird, und wie komplex ist die arbeit des gehirnes, wie gross muß der anteil an retusche und ergänzung gegenüber der leistung der augen sein, wenn aus den augenblicksteilchen das bild entstehen kann, das ich dann von meiner küchenwand zeichnen könnte;
und, wenn ich ein aus augenblicken zusammengesetztes bild zusammenkleben, und an eine wand hängen würde, so würden jedes mal, wenn ich es ansehe, meine augen es noch einmal in augenblicke zerlegen, diese in die entsprechenden kubikmillimeter meines hirnes schicken, und es würde dort ein weiteres mal wieder zusammengesetzt.
fazit oder abschliessende fragen:
gibt es noch irgendein motiv, was noch nicht tausendfach vom massenmedium fotografie erfasst worden ist - und nicht jeden betrachter von fotografie schon übersättigt hat mit all den aus tausenden mehr oder weniger unterschiedlichen blickwinkeln immer wieder abgetasteten gleichen dingen
- und trotzdem werden all diese dinge aus all den blickwinkeln und perspektiven,
den künstlerischen, den informativen, den erinnernden, den manipulativen, den einfach nur banalen, den rein persönlichen immer wieder neu abgelichtet.
was
könnten die gründe sein, so viele fotografien herzustellen?
irgendetwas besonderes,
vielleicht tatsächlich so etwas wie eine art zauber scheint der fotografie anzuhaften
die indianer nordamerikas glaubten, die kameras der photographen würden ihnen die seelen aus dem leib stehlen, wenn sie dem photographen gestatteten, sie mit hilfe dieses apparates abzubilden.
wer fotos von etwas gemacht hat, kann noch jahre später seinen mitmenschen seine erinnerungen mitteilen,
er glaubt die zeit zurückdrehen zu können, kann das urlaubserlebnis, die ersten schritte seiner kinder oder den weihnachtsbaum von vor dreizehn jahren wieder auferstehen lassen, und hofft so, es die anderen noch einmal miterleben lassen zu können.
vielleicht ist es der versuch, das fotografierte für sich zu behalten, es in besitz zu nehmen; eine art kaschierte reviermarkierung.
ein moment, eine sache, ein ort, personen, situationen werden festgehalten. selbst die erinnerung darf verblassen, ja ganz verschwinden; das foto erhält sie stellvertretend am leben.
so wie die fähigkeit schreiben und lesen zu können, das gedächtnis für gehörtes entlastet, und so vielleicht auch schwächt, braucht sich der besitzer eines fotoapparates keine gedanken mehr über die qualität seines visuellen gedächtnisses zu machen. die bilder sind jederzeit verfügbar, und können ihm nicht mehr weggenommen werden.
mit dem fotoapparat hat er sich die fähigkeit gekauft, ein stück aus dem laufe der zeit herauszustanzen und es zu konservieren.
der fotoapparat als eine art zeitgefriermaschine.
fotografie als realitätszitat?
(zitat,irgendwoaufgeschnappt)
was könnte ein foto
sonst sein?
ein ersatz,
oder eher eine verbesserung des knotens im taschentuch vielleicht
als solches - als foto - eher unwichtig
etwas
mit nach hause nehmen
sammeln von sachen,
die ich nicht mitnehmen kann, weil sie entweder zu gross sind für die hosentasche, oder anfangen würden zu stinken (tote vögel zum beispiel)
oder aber weil sie das, was mich beim auffinden desselben angeregt hat, nachzudenken, - das, woran sie mich erinnern sollen - aus ihrem kontext gerissen verlieren würden (das wohl am häufigsten)
(...)
fotografie dokumentiert vorhandenes: das, was auf einem foto zu sehen ist, denkt der betrachter (glaubt er zu wissen), existiert irgendwo, oder ist ein real dagewesener moment, der festgehalten wurde - ein wesentlicher unterschied zu anderen arten der abbildung wie zeichnung, malerei oder bildhauerei. sie entspringen im wesentlichen der vorstellung ihres schöpfers; bilden seine fantasie ab, gedanken, zusammenhänge, die in gedanken vorhanden sind, und durch pinsel und farbe oder anderes werkzeug erst sichtbar gemacht werden.
die fotografie dagegen
beschäftigt sich mit der “realität”, bildet sie ab, spontan oder inszeniert; jede fotografisch dargestellte situation scheint in der vergangenheit wirklichkeit gewesen zu sein.
so entsteht eine besondere art,
fotografien zu betrachten, und sich mit dem auf ihnen gezeigten zu beschäftigen, die sich von derjenigen, andere arten von abbildungen anzusehen unterscheidet. ebenso tritt die person des fotografen im bewusstsein des betrachters stärker in den hintergrund, als es die schöpfer der anderen abbildungen tun.
es geht ja “nur” ums banale sehen, nicht um fantasie.
die immer wieder grösste
schwierigkeit ist die, das was sich im laufe der zeit im kopfe so angesammelt hat, aus dem schattendasein des kopfinneren herauszuholen, und ihm zu substanz zu verhelfen.
substanz, die zu dem befriedigenden gefühl verhilft, dass da etwas zwischen den zähnen ist, auf das man so richtig draufbeissen kann, nicht die schonkost der theoretischen spielereien entlang der synapsen - hin und her und im kreise, mal vor und zurück oder rauf und runter, immer von den harten wänden der hirnschale beschützt und - auch gefangen.
auch wenn die erfahrung gezeigt hat, dass es manches mal gar nicht so falsch gewesen ist, sich eine weile auf hirnelektrisches arbeiten zu beschränken, oder gar das auch noch sein zu lassen; eines tages, denke ich doch, kann das nur noch zu einem kurzschluss infolge einer massiven überlastung der leitungs- und speicherkapazitäten des hirnes führen.
spätestens zu so einem zeitpunkt, wenn eine derartige katastrophe sich abzeichnet, ist es allerhöchste zeit, irgendetwas zu unternehmen.
nur was könnte die katastrophe noch zum stillstand bringen?
der arbeitsspeicher
ist jämmerlich überfordert von der datenmenge, die zu verarbeiten nun auf einmal von ihm verlangt wird, sein trainingszustand ist aufgrund der langen abstinenz nicht gerade der beste;
und wie ich weiss, wäre es in einem solchen fall angezeigt, erst einmal mit kleinen schritten anzufangen und sich erst nach und nach den strapazen der höchstleistungsmarathons zu stellen, um sich nicht der gefahr eines totalen kollapses auszusetzen.
nun gut,
die theorie eines möglichen lösungsweges scheint klar zu sein, doch muss ich feststellen, dass die praxis doch ihren eigenen gesetzen (die logik derselben ist mir leider bisher verborgen geblieben) folgt.
es erscheint mir unmöglich,
aus der menge der angesammelten daten diejenigen auszuwählen, die es am nötigsten haben, verarbeitet zu werden
- immer wenn das auge, kurz davor, eine auswahl zu treffen, sich auf einen der datenhaufen richtet, schiebt sich im letzten moment vor der endgültigen entscheidung eine neue ansammlung nicht verarbeiteten materials dazwischen und betont mit grösster vehemenz seinen absoluten vorrang vor allem anderen.
und, um die brisanz der situation ins alleräusserste zu steigern, stehen die letzten noch freien leitungen nicht still, sie produzieren allen so offensichtlichen überlastungen zum trotz weiter neues auch noch zur weiterverarbeitung drängendes rohmaterial.